Ultreia

Tag 18: Santa Irene – Santiago (22 km)

Die Etappe is Santiago verlangt dir einiges ab. Immer im Gänsemarsch mit der großen Pilgerschar geht es voran. 

Anfangs bin ich ein wenig irritiert, weil ich den Sonnenaufgang zum ersten Mal nicht im Rücken hab. Seltsam. Aber es gibt kein Vertun. Alle anderen der vermutlich um die 1000 Menschen, die heute Santiago erreichen werden, gehen in dieselbe Richtung.

Der Beginn meiner Reise vor drei Wochen scheint so fern, dass er aus einer anderen Welt zu sein scheint. Vermutlich ist das auch so. Während ich einen Schritt vor den anderen gesetzt habe, hat der Weg mich geformt und ein neues Modell aus mir geschnitzt. Ich fühle mich der alten Form entwachsen.

Zufrieden und voller Freude gehe ich voran und bin wieder gerührt, als ich durch den Torbogen auf die Praza do Obradoiro trete. Suchend schaue ich mich um nach bekannten Gesichtern. Seeda und Leo sind schon da. Bei Ihnen Florence und Lorette, die den Frances gegangen sind. Wir fünf treffen uns zum gemeinsamen Essen in einer Tapas-Bar. Die ganzen Plagen des Weges fallen auf einmal von uns ab. Wir erzählen unsere Geschichten, lachen uns über unsere Erlebnisse kaputt und kriegen uns kaum noch ein vor Lachen über all die Eigenarten von uns Pilgern.

Morgen kommen noch mehr Freunde an. Ich hoffe, ich kann Ihnen allen noch Auf Wiedersehen sagen.

Die ganze Stadt atmet die Atmosphäre der Erleichterung, die eintritt, wenn du angekommen bist. Wer hier ankommt hat sich mit jedem einzelnen Schritt selbst besiegt. Und das ist, wie ich glaube, das Größte, was man überhaupt erreichen kann: gegen alle Versuchungen des eigenen Denkens zu bestehen und dem Herzen zu folgen.

Und wohin jetzt? – Weiter immer weiter. Ultreia.