Ich muss zugeben, dass ich zuweilen ein wenig schreibfaul bin. Vor allem, wenn es darum geht, meine Erfahrungen so aufzubereiten, dass sie auch für andere lesbar sind. Ich bin eine von denen, die gerne Rohtexte schreibt, handschriftlich; und sie dann nie wieder anfasst. Und so hatte ich auf dem Camino Francés 2017 eines meiner schönen Notizbücher dabei, dem ich fleißig meine täglichen Erfahrungen mitgeteilt habe. Ein Luxus, wenn man bedenkt, was das so wiegt. Einziges Zugeständnis: ein billiger Kugelschreiber als Schreibgerät anstatt meines geliebten Füllfederhalters.
Vermutlich wären auch diese Texte zusammen mit den vielen Regalmetern an Tagebüchern bei mir zu Hause in Vergessenheit geraten, hätte nicht mein Freund Keith aus Texas ein Schreibprojekt ins Leben gerufen. Keith war seit seiner Rückkehr dabei, seine Erlebnisse niederzuschreiben. Im Lauf des Schreibprozesses kam er auf die Idee, seine Camino-Freunde zu einer Challenge einzuladen. Jeder, der wollte, sollte in fünftausend Wörtern eine Person, einen Ort, ein Gefühl oder ein Ereignis auf dem Weg beschreiben. Ich liebe Herausforderungen. Aber ich muss zugeben, dass ich es mir erst einmal gründlich überlegen musste. Die Aufgabe erschien mir groß, aber nicht unmöglich. Und nachdem feststand, dass ich genügend Zeit zur Verfügung hätte, schlug ich ein.
Aus diesem Schreibprojekt ist erst einmal mein eigener Blog entstanden. Ich hatte nämlich so vieles erlebt, dass ich mir erst einmal einen Überblick verschaffen musste, worüber ich überhaupt schreiben wollte. Also fing ich an, minutiös jeden einzelnen Tagebucheintrag noch einmal zu lesen, zu evaluieren, wieder zu lesen, zu verändern. Und so entstanden aus meinen Tagebuchaufzeichnungen völlig neue Texte, die alle hier auf dieser Seite zu lesen sind.
Der ganze Prozess hat mich einige Monate beschäftigt. Doch ich muss sagen: Ohne diesen Schreibprozess wären viele meiner Erfahrungen für mich heute kaum greifbar. Das Schreiben hat mir erst gezeigt, was dieser Weg im vergangenen Jahr für mich war. Und erst dadurch weiß ich heute zu würdigen, was für einen unglaublichen Schatz ich auf dem Camino Francés 2017 entdecken durfte.
Ich bin Keith unendlich dankbar für seine Idee und seine beständigen Ermutigungen. Einige der entstandenen Erfahrungsberichte sind bereits jetzt auf seinem Blog zu finden. Der Bereich wird weiter wachsen. Es lohnt sich also, von Zeit zu Zeit dort vorbeizuschauen.