Vorfreude auf den Chemin de St. Jacques

Handwerksarbeit: Aus Holz geschnitzte, personalisierte Jakobsmuschel, hergestellt von Ricou le Baroudeur.

Dieses Jahr erwartet mich nach all der Pilgerei in Spanien ein ganz neues kleines Abenteuer: die Via Podiensis. Dieser Weg führt durch Südfrankreich, genauer gesagt von Le Puy-en-Velay in der Auvergne bis nach Roncesvalles auf der spanischen Seite der Pyrenäenausläufer im Südwesten. Die Sonne also meistens von schräg links vorne.

Etwa 800 Kilometer lang zieht sich der Weg, der auch als GR 65 bekannt ist, durch die südfranzösischen Regionen Auvergne, Languedoc-Roussillon, Midi-Pyrénées und Aquitanien. „GR“, das steht für „Grande Randonnée“, womit die großen Fernwanderwege in Frankreich bezeichnet werden. Die Markierung: weiß-rote Streifen, die auch den Einsteigern auf den Camino Francés von St. Jean-Pied-de-Port nach Roncesvalles bis zur französisch-spanischen Grenze den Weg weisen. Die Herbergen heißen auf der Via Podiensis nicht „Albergue“, sondern „Gîtes“. Und die Pilger verabschieden sich voneinander nicht mit „Buen Camino!“, sondern mit „Bon Chemin!“.

Ein kleines Abenteuer nicht etwa, weil der Weg nicht weit wäre, sondern weil ich in diesem Jahr nur drei Wochen unterwegs bin. Nicht genug, um den ganzen Weg zu gehen. Aber genug, um Kopf und Herz nach einem arbeitsreichen und anstrengenden Jahr wieder gerade zu rücken, wieder ein Gespür dafür zu bekommen, worauf es wirklich ankommt im Leben.

Gerade die Unmöglichkeit, diesen Weg ganz zu Ende zu bringen, ist es, was den ganzen Charme des diesjährigen Vorhabens für mich ausmacht. Es ist ganz gleichgültig, wie weit ich komme, wie viele Kilometer ich am Tag gehe. Ich habe weder einen Plan, noch habe ich ein physisches Ziel. Das ist befreiend und lässt mich jetzt schon aufatmen.

Seit einigen Tagen summe ich das Pilger-Lied, dessen Refrain ich erstmals gehört habe, als ich auf meinem allerersten Camino 2003 in einem Vorort von Burgos in den Bus gestiegen bin, um mir fünf Kilometer Gehen entlang einer vierspurigen Straße zu ersparen. Wir waren damals viele Pilger, die in diesen Bus einsteigen wollten. Und eine Gruppe von Pilgern hat das Lied, wie mir schien, zur Beruhigung des allgemeinen Einstiegsdurcheinanders angestimmt. Augenblicklich, jedenfalls, veränderte sich die Stimmung, alle nahmen Rücksicht aufeinander und zum Schluss kam auch jeder mit.

Tous les matins nous prenons le chemin,
tous les matins nous allons plus loin.
Jour après jour la route nous appelle,
c’est la voix de Compostelle.
Ultreia, Ultreia, et Suseia,
Deus, adjuva nos!

„Jeden Morgen machen wir uns auf den Weg, jeden Morgen ein Stück weiter. Tag für Tag ruft uns die Straße, die Stimme von Compostella. Ultreia – weiter, immer weiter! Gott schütze uns.“

Meinen Rucksack wird dieses Jahr eine personalisierte Jakobsmuschel zieren, die ein Pilger aus Besançon, der sich Ricou le Baroudeur (der Wanderer oder Abenteuerer) nennt, nach einer Fotovorlage für mich gefertigt hat. – Täuschend ähnlich, nicht? – So, wie ich mitbekommen habe, hat er in den letzten Wochen bestimmt an die hundert Rucksackanhänger dieser Art verschickt, und ich bin sehr gespannt, ob ich jemandem begegne, der auch eine solche Muschel am Rucksack hat. Aus irgendeinem Grund wäre mir das eine besondere Freude.

5 Kommentare

    1. Lieber Dieter, verständlich. Aber willst Du Deine Pläne wirklich so signifikant ändern? – Nun, Du wirst die richtige Entscheidung für Dich treffen. Ohnehin trifft man immer die richtigen. Ich wünsche Dir einen gesegneten Weg.

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  1. Ein wunderbarer Weg, den wir 2019 von Le Puy en Velay bis Lauzerte gelaufen sind. Die traumhaft schöne Landschaft hat uns sehr beeindruckt. Es gibt eine gute Infrastruktur unterwegs. Kennengelernt haben wir überwiegend Franzosen, viele gehen auch nur Teilabschnitte.

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  2. Ich freue mich dass du die Entscheidung getroffen hast, diesen französischen web zu laufen. Ich hoffe du wirst hier dieses Abenteuer erzählen.

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