Tag 34: Xunqueira de Ambía – Ourense (24.06.2022)

Katerstimmung heute früh in der Herberge. Nach dem Regen vom Vortag habe ich die ganze Nacht entsetzlich gefroren und friere immer noch. Ich habe mich wohl erkältet. Was jetzt helfen könnte, wäre ein heißer Tee, aber die wenigen Tassen von nennenswerter Größe sind bereits in Gebrauch. Ich mache mir dreimal Tee um halbwegs warm zu werden. Während ich warte, suche ich nach einem Hotelzimmer in Ourense, unentschlossen, ob es das ist, was ich wirklich brauche. Eigentlich brauche ich eine Küche mit einem Herd, Geschirr und die Möglichkeit, literweise Heißgetränke zuzubereiten. Ein Hotel wird da nicht helfen. Fast alle Pilger sind schon unterwegs. Mir ist zum Heulen.

Ich schlucke ein paar taiwanesische Vitamin C-Pillen, die Quinn mir in die Hand gedrückt hat. Dann mache ich mich missmutig auf den Weg. Ein bisschen drückt mir auch die Erinnerung an meinen Weg vor drei Jahren aufs Gemüt. Damals bin ich weinend in Ourense angekommen. Freilich aus ganz anderen Gründen. Damals habe ich um meine Mutter getrauert. Es scheint, als hätte sich die Niedergeschlagenheit in den Nischen am Wegesrand versteckt, bereit mir aufzulauern.

Ein Highlight landschaftlicher Schönheit ist die Strecke heute ohnehin nicht. Die nahe Stadt kündigt sich durch zahlreiche kleine Siedlungen an, die sich beinahe nahtlos aneinanderreihen. Der Himmel ist trübe und düster, am Vormittag zumindest. Erst als ich mir nach zweieinhalb Stunden eine Pause bei einem Café con Leche gegönnt habe, hebt sich meine Stimmung. Verstärkt wird dies durch den spontanen Segenswunsch seitens einer Frau, die gerade in ihrem Garten herumwerkelt. Meine Mundwinkel schieben sich augenblicklich nach oben.

Als ganz besonders schreckliches Wegstück ist mir das Industriegebiet mit rauchendem Fabrikschlot in Erinnerung. Doch heute scheint mir die Trostlosigkeit des Ortes nicht ganz so abstoßend. Und schließlich kommt dann doch die Sonne heraus.

Auf der langen Geraden, die nach Ourense hinein führt, holt Gorazd mich mal wieder ein. Meine erkältungsbedingte Müdigkeit ist verflogen, so dass ich heute Nacht doch in der Herberge schlafen kann. Als wir bei dem schön renovierten Natursteinhaus um die Ecke biegen, bietet sich uns ein lebhaftes Bild. Vor der Herberge werden unsere Pilgerfreunde gerade von einem Team der Lokalzeitung interviewt. Ja, man scheint sich daran zu freuen, dass die Pilger nach der Pandemie zurück sind. Wir sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Die ganze Stadt pulsiert. Es ist Fiesta. Stände mit regionalen Produkten sind aufgebaut, auf einem Platz unterhalten ein paar Schauspieler mit Musik und Kunststücken.

Die Herberge von Ourense ist ein echtes Schmuckstück. Leider gibt es aber auch hier keinerlei Geschirr in der ansonsten gut ausgestatteten Küche. Die Junta erlaubt es wohl nicht. Hygiene geht vor.

Während der Fiesta haben alle Geschäfte zu, auch die Supermärkte. An einer etwa einen Kilometer entfernten Tankstelle gibt es einen 24/7-Laden. Dort besorge ich mir Proviant für den nächsten Tag und finde dann schließlich noch ein sehr ruhiges Café mit einer sehr ordentlichen Teeauswahl. Quinn gibt mir japanische Bittermedizin gegen meine Erkältung, nicht ohne mich vor dem scheußlichen Geschmack zu warnen. Mir ist alles recht. Je bitterer, desto besser. So schlimm schmeckt es gar nicht. Danach schlafe ich wie ein Baby.

2 Kommentare

  1. Ich war in derselben Herberge in Ourense im Dezember 2022 und noch die Benutzung der Küche war verboten 😦 Hast du die Termalbad besucht? Ich freue mich auf den nächsten Beitrag

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