Der Sanabrés zeigt sich heute von seiner schönen Seite. Endlich ist es mal nicht gar so kalt in diesem ungewöhnlich eisigen Juni dieses Jahr. Ich habe gleich am Anfang einen Pass vor mir und suche mir lieber nochmal ein kräftiges Frühstück. Die Wirtin der Bar, in der wir gestern gegessen haben, erfüllt mir sämtliche Wünsche: Toast mit Käse, Tomaten und Spiegelei. Das bekommt man hier nicht so oft. Der Sanabrés ist weit entfernt davon, ein Touristenmagnet zu werden.
Ich gehe erstmal bergab zum Heiligtum La Tuiza, einer Marienkirche aus dem 18. Jahrhundert. Warum sie hier erbaut wurde, sagt die Informationstafel nicht. Es hält mich nicht lange an dem Ort, denn außen herum wird gerade Rasen gemäht und oben drüber verläuft die Autobahn. Ich bin nicht in der Stimmung, mich lange aufzuhalten.
Danach geht es durch den Wald aufwärts. Immer wieder überschwemmt Wasser den Pfad, muss ich kleine Bachbetten überwinden. Der Weg erfordert Aufmerksamkeit, was mir aber ganz recht ist, weil es mich vom Grübeln abhält. Ich habe eine Mission, ich bin auf der Suche und möchte etwas loslassen. Und das macht es mir heute nicht leicht.
Immer wieder glaube ich mich schon fast auf dem Pass, immer wieder geht es doch noch weiter bergauf. Erst nach guten drei Stunden bin ich endlich oben und schaue in das nächste Tal. Hier betrete ich wieder Galicien und die Provinz Ourense. Als ich mich umschaue, sehe ich auf einer steinernen Bank meine Pilgerbekanntschaft Regine aus Düsseldorf sitzen. Sie ist die erste, der ich heute begegne. Später treffe ich noch einen Ungarn. Dieser Camino ist was für Leute, die die Einsamkeit suchen.
Nach einem kurzen Plausch mit Regine in der Bar von Villavella mache ich mich auf, die zweite Hälfte der heutigen Wegstrecke zurückzulegen. Der Wald geht weiter unten in eine Heidelandschaft über mit verbrannten Zwergkiefern und riesigen Felsblöcken. Die Strecke ist wunderschön, schlaucht aber auch nach dem langen Aufstieg über den Pass.
Nach weiteren drei Stunden stolpere ich endlich auf die asphaltierte Straße, die nach A Gudiña hinunter führt. Es dauert eine gefühlte Unendlichkeit, bis ich endlich im Ort ankomme.
Die öffentliche Herberge hat laut meinem Reiseführer keine Decken. Mit meinem leichten Schlafsack komme ich in dem ungewöhnlich kalten Juni nicht zurecht. Ich frage trotzdem nach in der Hoffnung, dass vielleicht doch etwas Wärmendes herbeigezaubert wird. Leider Fehlanzeige. Die Hospitalera wünscht mir Glück für meine Suche.
An der Hauptstraße finde ich ein halbwegs günstiges Zimmer mit ausreichend warmen Decken in einer Pension. Das Bad ist überraschend modern. Der Ort ist ansonsten wenig einladend.
Alles wirkt ein wenig lieblos und heruntergekommen. Ein bisschen passt es zu meiner Stimmung. Bin froh, wenn ich den Ort morgen hinter mir lasse.
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