Von Ourense teilt sich der Weg in zwei Varianten, die sich gegenseitig nichts nehmen. Wie auch immer man sich entscheidet: Es geht auf jeden Fall steil bergauf. Eine richtige Wahl habe ich heute nicht, denn ich habe eine Verabredung mit der Ermita de San Marco da Costa, die auf der Ost-Variante liegt, bei der man nach der Brücke erst einmal rechts der N-525 folgt. Dort habe ich vor drei Jahren einen Stein für meine verstorbene Mutter hingelegt. Quinn und Gorazd hatten sich gestern eigentlich für die West-Route entschieden. Doch Quinn, die weit vor mir läuft, biegt dann doch rechts ab. Und als ich am Berg erhitzt anhalte, um mir erst einmal ein paar Kleider vom Leib zu reißen, stelle ich fest, dass auch Gorazd mir auf den Fersen ist. Ich fühle mich erleichtert, dass ich heute nicht allein unterwegs bin. Auch wenn jeder von uns größtenteils für sich allein geht.
Der Weg hinauf zur Ermita ist eine Qual. Meine Erkältung macht mir noch zu schaffen, und ich schnaufe wie ein Walross hinauf, bis endlich nach einer gefühlten Ewigkeit die Ermita in Sicht kommt. Zu der kleinen Kapelle muss man einen weiteren Hügel erklimmen und ich entscheide, meinen Rucksack am Fuß der Anhöhe auf der Bank abzusetzen. Zum Glück, denn Gorazd, der ansonsten weitergegangen wäre, klettert auch die Anhöhe hinauf. Es bedeutet mir sehr viel, an diesem Ort heute nicht allein zu sein. Wir machen ein paar Fotos, danach zieht jeder wieder seines Wegs. Er ist ja nun der gleiche, aber eben doch für jeden anders.
In Tamallancos finde ich abseits des Camino an der Nationalstraße eine geöffnete Bar. Quinn sitzt auch schon dort und ist gerade am Bezahlen. Etwas später hätte es direkt am Weg auch noch eine Bar gegeben. Aber wer kann das schon wissen?
Kurz vor Cea, nach etwa sechs Stunden zu Fuß, verdunkelt sich der Himmel. Es sieht aus, als würde es jeden Moment regnen. Auch dort gönne ich mir noch einmal einen Stopp in der Bar. Essen benötige ich nicht und lasse es bei einem Kaffee.
In Cea teilt sich der Weg wieder in zwei Varianten. Eine davon führt über das sehr sehenswerte Monasterio de Oseira, das bis ca. 1930 in Ruinen lag und dann von Zisterziensern wieder aufgebaut worden ist. Heute merkt man dem Kloster seine vernachlässigte Vergangenheit nicht mehr an. Eine Besichtigung lohnt auf jeden Fall.
Ursprünglich wollte ich nicht mehr über das Kloster Oseira gehen, weil ich dort vor drei Jahren bei heißen Temperaturen unglaublich gefroren habe. Damals war die Herberge in einem Seitenanbau mit gefühlt zwei Meter dicken Mauern untergebracht. Ein dunkles Verlies, in das niemals ein Sonnenstrahl eingedrungen war. In den letzten Jahren wurde hier jedoch eine neue Herberge gebaut. Ein lichtvoller Anbau mit viel Glas, Fußbodenheizung und bester Ausstattung, wenn man einmal davon absieht, dass es auch dort keinerlei Geschirr in der Küche gibt.
Quinn, Gorazd und ich teilen uns den großen Schlafsaal mit durch Wände abgetrennten Abteilen mit einem deutschen Pilger. Das geöffnete Restaurant nimmt saftige Preise. Ein günstiges Pilgermenü ist da angesichts des schwachen Pilgeraufkommens nicht drin. Auch das hat sich geändert. Möglicherweise gibt es das Pilgermenü in dem zweiten Restaurant zu stärker frequentierten Zeiten. Die junge Rezeptionistin der Herberge handelt für mich eine Fisch-freie Mahlzeit aus. Quinn und ich werden satt. Gorazd beschränkt sich auf seinen mitgebrachten Proviant.
Außer der Besichtigung des Klosters und der Teilnahme am Abendgebet gibt es hier nichts zu tun. Wir chillen auf den gemütlichen Sesseln im Foyer und starren um die Wette Löcher in die Luft. WLan ist nämlich auch nicht überall an diesem Ort zu haben. Auch mal schön.