Eigentlich hatte ich mich Mitte April schon längst damit angefreundet, auch in diesem Jahr wieder in Deutschland zu pilgern. Dafür hatte ich mir ein Stück des Birgittenweges auserkoren, auch ein Muschelweg, der sich irgendwann irgendwo mit einem weiteren Jakobsweg verbindet. Der Weg der Heiligen Birgitta beginnt im schwedischen Lund, etwas nördlich von Malmö. Bei Trelleborg setzt man über nach Sassnitz auf Rügen. Meine geplante Strecke ging von Stralsund nach Schwerin. Das sind 230 Kilometer, also etwa 10-12 Tagesetappen.
Nachdem aber der Lockdown in Deutschland so gar nicht enden wollte und ich aus der Befürchtung heraus, dass kein Hotel mich ohne Impfung aufnehmen würde, mich bereits nach Ultraleichtzelten umgeschaut hatte in dem festen Vorsatz, dann halt im Wald oder bei Bauern auf der Wiese zu übernachten, da kam auf einmal ein Impfangebot wie ein Wunder um die Ecke gebogen. Und plötzlich war vor der ganzen Diskussion um den digialen Impfausweis und Reisefreiheit, eine Reise nach Südeuropa wieder in greifbarer Nähe.
Überlegt habe ich da gar nicht und gemeinsam mit Bernd einen Flug nach Porto gebucht. Der Camino Portugués sollte es diesmal werden. Ich muss gestehen, in der Vorbereitung auf den Flug und wegen der Nachrichten über mangels Immunnachweis zurückgelassene Fluggäste, wegen schwacher Auslastung ausgefallener Flüge und auch wegen der Unwägbarkeiten eines möglicherweise nicht rechtzeitig vorliegenden PCR-Tests, begann ich bald, diesen Schritt ein wenig zu bereuen.
Schließlich hatte ich dann am Tag des Abflugs alle Unterlagen zusammen, in Papierform und digital, falls irgendwas verloren gegangen wäre. Ein bisschen muss ich darüber im Nachhinein noch grinsen, denn der große Packen Dokumente wirkte eher so, als beabsichtige ich, in Portugal einen Asylantrag zu stellen.
Man muss schon wirklich genau hineinlesen in die Einreisebestimmungen und Sicherheitshinweise auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Aber wenn man es dann mal oft genug durchforstet hat, dann weiß man nach einiger Zeit, worauf man achten muss. Die Abstufungen von einfachen Risikogebieten über Risikogebiete und Hochinzidenzgebiete bis hin zu Virusvariantengebieten mit den davon abhängigen Einreisevoraussetzungen wirken manchmal ein wenig willkürlich. So war zur Zeit unserer Anreise nach Porto dieser Landesteil noch nicht einmal ein Risikogebiet, wurde dann aber kurz vor unserer Einreise in Spanien über die Brücke bei Tui auf einmal zu einem Virusvariantengebiet. Wären wir etwas später dran gewesen, so hätten wir vierzehn Tage in Quarantäne gemusst. Die Einstufung als Virusvariantengebiet dauerte erstmal gerade acht Tage, dann wurde der Status wieder aufgehoben.
Vermutlich wird uns die Durchforstung der Seite des Auswärtigen Amtes künftig selbst bei inner-europäischen Reisen zur zweiten Natur werden. Genauso, wie wir selbstverständlich keine Flüssigkeiten oder Nagelfeilen mehr mit durch die Sicherheitsschleuse am Flughafen nehmen. Aber nun ja: Fliegen ist ja angesichts der Klimakatastrophe ohnehin nicht mehr zeitgemäß, und insofern habe ich beschlossen, das Fliegen auf das allernötigste Maß zu beschränken. Angesichts des ganzen Bangens im Vorfeld zu dieser Flugreise wäre ich, nach heutigem Wissensstand, vermutlich besser mit dem Zug gefahren. Das hätte zwar ein bisschen gedauert, aber, wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel.
Während der Zeit Ende Juni bis Anfang Juli waren die städtischen Pilgerherbergen allesamt geschlossen. Dennoch gab es keinerlei Probleme, eine Übernachtungsgelegenheit in den zahlreichen privaten Herbergen und Hostels zu finden. Ist man gewohnt, sich auf dem Weg einfach treiben zu lassen, so kann man das durchaus riskieren. Wir haben viele Pilger getroffen, die auf diese Weise unterwegs waren. Ich, allerdings beeilte mich, wenigstens die nächsten zwei Übernachtungen im voraus zu reservieren, nachdem mir eine Mitarbeiterin im Tourismus-Büro von Barcelos auf das eindringlichste eingeschärft hat, dass ich dazu verpflichtet wäre. Nur zwei Tage später kam die Ankündigung der scharfen Reisewarnung seitens unserer Bundesregierung.
Die Hygienemaßnahmen in den Herbergen waren überall so, dass ich mich als Pilgerin absolut sicher fühlte. Im Unterschied zur schwindenden Maskenmoral hierzulande waren sowohl Portugiesen als auch Spanier sehr vorsichtig. Selbst beim Strandspaziergang, bei dem einem weit und breit fast niemand begegnete, trugen die Menschen Maske. Der Schock des monatelangen Eingesperrtseins sitzt tief.
Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Jahr das große Glück hatte, in Portugal und Spanien zu pilgern, und hoffe inständig, dass der Weg in den nächsten Jahren wieder Pilger aus allen Teilen der Welt anzieht. Doch wenn ich mir die einschlägigen Facebook-Gruppen so anschaue, so wird dort überall schon mit den Füßen gescharrt. Um den Camino muss man sich jedenfalls keine Sorgen machen.