Tag 11: Campiello – Barducedo (28 km)
Von Campiello nach Borres sind es drei Kilometer. Danach muss man sich entscheiden. Der Weg über Hospitales, mit einem Anstieg auf 1200 Höhenmeter, ist im Winter nicht begehbar. Es geht über einen sieben Kilometer langen Berggrat, der einem die ganze Schönheit der asturischen Bergwelt offenbart. Vorbei an den Ruinen der Pilgerhospitäler, in denen die Pilger vor langen Zeiten untergekommen sind. Die andere Alternative über Pola wurde im Winter genutzt. Beide Wege führen am Pass Puerto del Palo zusammen.
Auf 600 Metern Höhe starte ich, mit Stirnlampe, am frühen Morgen um viertel vor sechs. Um viertel vor vier komme ich in Berducedo an. Dazwischen liegt an Emotionen so ziemlich alles: von der größten Freude bis zum größten Schmerz und Verzweiflung.
Der Weg ist an Schönheit nicht zu überbieten. Sobald ich in der Höhe aus den Wolken heraustrete, sind die Anstrengung des Weges weiter unten im Tal durch tiefen Matsch und der steile Anstiegs vergessen.
Ein paar Begegnungen habe ich an diesem Morgen, die mich mit der eigenen zeitweiligen Negativität in Kontakt bringen. Ein Mitpilger macht sich tatsächlich gerade Gedanken über das für die nächsten Tage angekündigte schlechte Wetter. Ich denke mir, was kümmert es Dich denn, wo doch der heutige Morgen so unglaublich spektakulär ist. Ich sage nichts und weiß gut, dass mir selbst manchmal die Wahrnehmung des „Jetzt“ abhanden kommt und ich mehr mit der Zukunft befasst bin.
Der steile Abstieg macht mir heute sehr zu schaffen. Als es abwärts geht, wird klar, dass ich noch etwa vier Stunden unterwegs sein werde. Zeit genug, um mich immer wieder innerlich zur Ordnung zu rufen. Denn körperlich fühle ich mich mittlerweile ziemlich am Ende. Ab etwa 13 Uhr wird es unerträglich heiß. Es gibt keinen Schatten. Die Geröllpiste nach unten hat etwa 10 Prozent, jeder Schritt erfordert äußerste Konzentration.
In Montefurado, etwa 8 Kilometer or Berducedo muss ich dringend nochmal eine Pause einlegen und die Schuhe ausziehen. Leo und ein Österreicher, die ich weiter oben getroffen habe, haben ein paar gut gemeinte Ratschläge für mich. Böse knurre ich sie an, sie sollen mich einfach in Ruhe lassen. Ich will einfach nur mein Tempo laufen, und wenn ich auf den letzten Kilometern noch fünf Pausen einlegen muss, dann ist es eben so.
Irgendwo, fünf Kilometer vor dem Ziel, hat jemand auf einem Stein die Message hinterlassen: Think positive. Trotz meiner Schmerzen muss ich lächeln. Die Nachricht scheint für mich bestimmt. Und ich bin sicher nicht die einzige, der diese Etappe Schwierigkeiten bereitet.
Irgendwann komme auch ich schließlich in Barducedo an. Nach dem besten Bier des Tages – heute brauche ich gleich zwei – werfen Leo, Charles und ich unsere Wäsche zusammen und geben unser Zeug bei der Hospitalera ab. Bloß jetzt nicht auch noch Haushalt.
Was mir sicher lange bleiben wird von diesem Tag ist die große Freude über unglaublich schöne Naturerlebnisse.