Das schönste Lächeln der Welt und andere Aufregungen

Tag 7: Ribadesella – Colunga (22 km)

Ich poste nicht gerne Selfies, weil ich finde, ich habe den Zenith dafür überschritten. Mit ü50 reicht die Armlänge einfach nicht, damit es noch gut aussieht. Und komm‘ mir jetzt bloß nicht mit Sprüchen wie „Jede Falte ist ein Ausdruck von Charakter!“

Ich poste also Selfies nur zu ganz besonderen Anlässen, und heute habe ich so einen. Gleich am Morgen, nachdem ich es in Ribadesella über die Brücke geschafft habe – was mir gestern aufgrund meiner Erschöpfung nicht gelungen ist – begegnet mir am Strand Pepe, ein Spanier aus dem Ort, der bereits um halb sieben mit seiner Kamera unterwegs ist. Ich wundere mich darüber, wie gut er zu Fuß unterwegs ist. Jeden Morgen macht er das, lacht er, dann geht er am Ufer entlang, hinauf auf den Berg, immer auf der Suche nach einem schönen Motiv. 

Pepe besteht auf einem Selfie und freut sich, dass ich es ihm per SMS schicke. Dann kann er vor seinen Freunden ein bisschen mit seiner „Eroberung“ angeben. Weil Pepe’s Lächeln eines der schönsten der Welt ist, wird das hier mein Tagesfoto.

Der Weg führt mal wieder bergauf vorbei an den bereits bekannten bunten Indio-Häusern von San Pedru. Ich frage mich, ob ich wohl Alex noch einmal wiedersehe. Gestern haben wir uns im Ort nicht getroffen. Ab Villaviciosa werden sich unsere Wege trennen. Kurz vor Abreu bleibe ich stehen, um meine Jacke auszuziehen. Ich schaue zurück und sehe Alex über die Kuppe kommen. Den Rest des Tages gehen wir gemeinsam weiter.

Kurz hinter La Vega treibt ein Bauer ein paar Kühe auf den Weg, die sich unerlaubt auf seinem Gelände befinden. Die Tiere sind natürlich äußerst aufgebracht und kommen auf uns zu gerannt. Wir flüchten auf dem schmalen Pfad zur Seite in den Matsch, die Kühe bleiben stehen. Ein paar Minuten passiert nichts. Wir sind unschlüssig, wie wir jetzt weiterkommen. Irgendwann packe ich meine Wanderstöcke, fest entschlossen, sie gegen die Kühe einzusetzen. Der Bauer warnt, wir sollten vorsichtig sein, weil zwei Stiere dabei seien. Zu allem Überfluss kommt hinter uns ein weiterer Pilger des Wegs, bekleidet mit einem roten Hemd. – Was soll ich sagen? Die ganze Situation ist so komisch, dass ich in irres Lachen ausbreche. Drei Pilger auf einem schmalen Pfad gegen eine ganze Kuhherde mit zwei vermeintlichen Stieren. Ich voran, bewaffnet mit zwei Wanderstöcken, todesmutig die Tiere vor sich hertreibend. Don Quijote hätte seine Freude gehabt. – Irgendwann haben die Viecher ein Einsehen und geben den Weg frei, indem sie sich auf die heimische Weide zurück trollen.

Der Weg führt heute viele Kilometer oberhalb der Küste entlang, mit phantastischen Ausblicken. Leider ist es ein wenig grau und nieselt, so dass ich die schönen Bilder eher im Herzen habe.

Bereits um ein Uhr mittags sind wir in Colunga. Von hier werde ich morgen den Bus nach Oviedo nehmen. 

Mit Alex teile ich ein Abschiedsessen. Heute Abend gehen wir uns gemeinsam das Spiel Portugal – Spanien anschauen. Alex wird mir fehlen. Er hat einen Humor, der mir sehr liegt. Wir haben viel gelacht, er hat mir viel über sein Land erzählt. Das gemeinsame Gehen war immer bereichernd und hat mich so manchen physischen Schmerz vergessen lassen. Aber so ist der Camino. Freunde kommen und gehen. 

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