Sturm und andere Unwägbarkeiten

Tag 4: Comillas – Unquera (29 km)

Als ich am Morgen die Unterkunft verlasse, ahne ich noch nichts von dem unglaublichen Sturm, der mich an der Küste erwartet. Aber als ich den Höhenweg hinter der Kirchlichen Universität erreiche, packe ich eilig meinen Poncho weg. Der Sturm würde das gute Stück mit Sicherheit in Stücke reißen. Außerdem komme ich ohne Poncho schon kaum gegen den Wind an. Dass es regnet, fällt eigentlich kaum auf, da der Regen durch den Sturm fein zerstäubt wird. Langsam wie eine Schnecke krieche ich den Berg hoch, der Wind ist so stark, dass er mir fast den Atem raubt. 

Etwa drei Kilometer vor San Vicente de la Baquera schmerzen meine Füße so sehr, dass ich mich an den Strand rette und erst mal barfuß weitergehe. Bisher bin ich ausschließlich auf Teer gelaufen, einmal hatten sie ein bisschen Split hingekippt, was aufgrund des Knirschens sofort Glücksgefühle bei mir bewirkt hat. Jeder, der den Frances gegangen ist, kann das nachempfinden.

Ich kämpfe mich über den Strand und bin froh, dass ich ihn rechtzeitig vor San Vicente verlasse. Erst später sehe ich, dass ich hätte schwimmen müssen. 

San Vicente lasse ich rechts liegen und gehe direkt weiter auf den Höhenweg. Allmählich lässt der Wind ein wenig nach und das Gehen wird angenehmer. Auch deshalb, weil mir die Gesellschaft von Troos aus Südafrika den Weg ein wenig verkürzt. Kurz vor Serdio trennen sich unsere Wege wieder.

Hinter Serdio gibt es eine Wegsperrung wegen einer Sprengung im Steinbruch. Ich muss ein wenig warten und unterhalte mich mit einem Iren. Wir tauschen uns über die Übernachtungssituation auf dem Norte aus. Es gibt wenige Herbergen, manche sind kombiniert mit Touristenunterkünften. Keine gute Voraussetzung für Pilger, hier unterzukommen. Um sicher eine Unterkunft zu finden, hätte ich in Serdio bleiben müssen. „Der Frances ist einfach“, meint der Pilger aus Irland. „Du findest alle paar Meter eine Bar und eine Herberge. Aber der Norte testet Dich.“ – Ich sage ihm nicht, dass ich heute in Gedanken schon mal einen Bus genommen habe, um auf den Frances zu fahren. Natürlich gebe ich nicht so schnell auf. Aber die Vorstellung ist verlockend.

In Unquera gibt es auch nicht viele Unterkünfte, aber einen Busbahnhof. In der Bar bekommt man Auskunft. Eigentlich will ich nur wissen, ob ich motorisiert wegkomme, falls ich kein Glück habe. Die Wirtin telefoniert direkt für mich und besorgt mir ein Zimmer in der Pension für 21 Euro.

Der Camino gibt, wie es so schön heißt.

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